Das 50-jährige Firmenjubiläum – mit oder ohne Nachfolger?

Die Unternehmerin oder der Unternehmer haben Jahrzehnte die Firma auf- und ausgebaut, sind durch Höhen aber auch Tiefen gegangen, haben Sternstunden erlebt und manche Katastrophe irgendwie gemeistert. Die Firma bestimmte und bestimmt Leben, Alltag und das Denken.

Bei Arbeitnehmern ist es normal, dass sie automatisch in Rente gehen. Ein Unternehmer ist hier zwar flexibler aber auch sie oder er kann nicht ewig Jubiläum an Jubiläum reihen. Wer übernimmt einmal das Ruder?


50 Jahre Firmenaufbau

Vor einigen Jahren meldete sich ein Junior, Anfang 30, ob ich eine familieninterne Nachfolge begleiten könnte.

Der Vater von 4 Kindern hatte vor 50 Jahren den Einmannbetrieb errichtet und nach und nach zum veritablen Mittelständler mit knapp 100 Mitarbeitern, 2 Betriebsstätten und einer 2-stelligen Umsatzgrößenordnung ausgebaut.

Urlaube gab es wenige, der Vater war aber morgens der Erste und abends der Letzte im Betrieb. Er kannte alles, konnte alles - war erfolgreich.

Vor seinem 60. Geburtstag verkündete der Unternehmer: „Mit 60 höre ich auf!“ Zwei Söhne stiegen ins Unternehmen ein, die beiden anderen Kinder ergriffen andere Berufe.

Mit 60 ist man heute aber noch fit und fühlt sich um so fitter, je näher dieses Datum rückt. So machte der Senior kraftvoll weiter; die Söhne vernahmen es mit Erstaunen. Aber es war irgendwann klar: „Mit 65 höre ich auf!“ verlautbarte der Unternehmer.


Der zweifelnde Junior

Der Anruf des Juniors kam, als der Vater 69 Jahre war. Der Junior hatte Tisch an Tisch in den letzten Jahren mit dem Vater zusammengearbeitet, jedoch vor einem Jahr das Unternehmen definitiv verlassen, weil er nicht mehr an eine interne Nachfolge glaubte.

Es kam wie es kommen musste: „Mit 70 höre ich auf!“ verlautbarte nun der Unternehmer voller Überzeugung. Der Junior sagte mir – wen wundert es – dass er dieser Aussage seines Vaters nicht mehr traue.


Nachfolgebegleitung

10 Jahre ungeregelte Nachfolge lagen hinter uns. Die Familie traf sich oft in jeder Woche zum häuslichen Mittagstisch. Man sprach über alles, wohl nur nicht über das Wichtigste.


Einzelgespräche – gemeinsame Gespräche

In Einzelgesprächen, zu denen sich auch der Senior und dessen Ehefrau bereit erklärten, gelang es mir dann, verschiedene sachliche und persönliche Knackpunkte herauszufinden. Dass manche davon objektiv erstaunten, spielt keine Rolle. Subjektiv waren sie den Personen wichtig.

Alles wurde schriftlich in den wesentlichen Punkten festgehalten, wobei manche Formulierungen im Einverständnis mit dem jeweils Beteiligten geglättet wurden. Der Junior erfuhr nun, dass sein Vater sagte: „Ich weiß gar nicht, warum mein Sohn das Unternehmen verlassen hat.“ Der Vater war über die Äußerung des Sohnes: „Ich weiß gar nicht, ob mein Vater mich überhaupt als Nachfolger will“, mehr als erstaunt.

Der Bruder des Juniors, der im Betrieb verblieben war, wurde nun mit einbezogen. Denn hier deutete sich der nächste Konflikt an: Schließlich konnte dieser seit über einem Jahr sich berechtigte Hoffnungen machen, alleiniger Nachfolger zu werden. Die Brüder sollten sich nun gemeinsam als neue Geschäftsleitung verstehen – was auch ein Umdenken erforderte.


Übergabefahrplan

Schließlich wurde aus den Wünschen und mündlichen Vereinbarungen ein Übergabefahrplan erstellt, der mit einem klaren Terminplan verbunden wurde.

Da Unternehmensnachfolge aus Sicht des Übergebers aber auch der Nachfolger auch immer etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat, wurden auch die übrigen Geschwister von dem bisherigen Stand in Kenntnis gesetzt und um Ihre Ansicht gefragt.

Am Ende hat sich die gesamte Familie auf den Übergabefahrplan einigen können und alle haben dies mit Ihrer Unterschrift bekräftigt.


Kontrolle

In monatlichen Gesprächen wurde die Einhaltung der Vereinbarungen des Übergabefahrplans in meiner Anwesenheit abgefragt und die Einhaltung des Terminplans überprüft. - Ein nicht zu unterschätzender sanfter „Druck“, der alle Beteiligten diszipliniert.


Dauer

Ende März kam der Junior zu mir, Gespräche und Treffen erfolgten wöchentlich im April und Mai. Anfang Juni wurde der Übergabefahrplan verabschiedet, Mitte Juni verkündete der Senior in einer Betriebsversammlung die offizielle Übergabe zum 01. Juli. Zur Dokumentation der Ernsthaftigkeit der Entscheidung fuhr der Unternehmer mit seiner Frau genau an diesem Tag in den (halb verordneten) 4-wöchigen Urlaub.


Den Schalter im Kopf umlegen

Als mir die Ehefrau Ende Juni telefonisch mitteilte: „Mein Mann freut sich jetzt richtig auf den Urlaub“, da wusste ich, dass es dem Unternehmer gelungen war, die Übergabe auch wirklich anzunehmen.

Der Senior organisierte danach einen Neubau sowie das 50-jährige Firmenjubiläum im gleichen Jahr. Für den Zeitraum danach gab es definierte Sonderaufgaben. 6 Monate später hatte ich gereifte Söhne vor mir sitzen sowie einen zufriedenen Vater, dem es endlich doch gelungen war, seine Nachfolge erfolgreich zu regeln.


Das Umfeld

Als Nebeneffekt wurde noch ein Einvernehmen mit der langjährigen Nummer 2 des Unternehmens hergestellt. Dieser Betriebsleiter - und Bruder der Ehefrau des Unternehmers - hatte sich selbst Hoffnung auf eine Unternehmensnachfolge gemacht. Über den darin liegenden ungelösten Streit zwischen ihm und dem Senior hatten sich noch die dazu gehörigen 2 Familienstämme zerstritten.

Als der Senior und der Betriebsleiter sich einvernehmlich wieder die Hand reichten, war bald auch der Friede zwischen den Familien im Wesentlichen wieder hergestellt.

Unternehmensnachfolge als echte unternehmerische Herausforderung

Der Unternehmer gab mir im Nachhinein recht, als ich ihm sagte: „50 Jahre war es nun Ihre Aufgabe, das Unternehmen auf- und auszubauen. Es kommt aber der Zeitpunkt, da wird es die Hauptaufgabe des Unternehmers die Regelung seiner Unternehmensnachfolge als eine echte unternehmerische Herausforderung zu begreifen.“

Erleichtert fügte der Senior hinzu: „Ich bin jetzt wirklich froh, dass alles am Ende doch noch so gut gelaufen ist!“